In diesem Artikel wollen wir die Premium Hörgeräte verschiedener Hersteller direkt miteinander vergleichen und Ihnen damit einen Überblick geben, ob und welche Unterschiede vorhanden sind. Gibt es tatsächlich das „beste Hörgerät“?
Starten wir mit einer kleinen Auflistung der auf dem deutschen Markt vertretenen Hörgeräte Hersteller:
Unternehmen | zugehörige Hörgeräte Hersteller |
---|---|
Sonova Holding AG | Phonak, Hansaton, Unitron, Geers, u.a. |
Demant A/S | Oticon, Philips, Bernafon, Sonic, u.a. |
GN Store Nord A/S | ReSound, Interton, Beltone, Jabra, u.a. |
WS Audiology A/S | Widex, Signia, AudioService, Audibene, u.a. |
Starkey Hearing Technologies | Starkey Laboratories |
Nähere Informationen zu den Unternehmen, ihren Ursprüngen und Entwicklungen finden Sie in unserem Artikel Hörgerätehersteller – der Marktüberblick.
Jeder Hörgeräte Hersteller bietet Hörgeräte in unterschiedlichen Preiskategorien, so dass für jedes Budget eine Hörlösung gefunden werden kann. Wir beschäftigen uns im ersten Vergleich mit den aktuellsten Geräten der obersten Preiskategorie. Diese beinhalten alle technischen Features ohne Einschränkungen, so dass wir einen guten Grundeindruck bekommen.
Um den Vergleich übersichtlich zu halten, beschränken wir uns auf ein Hörgerät aus jeder Unternehmensgruppe und haben uns für folgende Geräte entschieden:
Phonak Lumity 90 (Markteinführung August 2022)
Oticon Intent 1 (Markeinführung März 2024)
ReSound Nexia 9 (Markteinführung September 2023)
Signia Pure 7 IX (Markteinführung September 2023)
Starkey Genesis AI 24 (Markteinführung Oktober 2023)
Es handelt sich bei allen Modellen um die zum Zeitpunkt der Beitragserstellung aktuellste Technik des jeweiligen Herstellers. Als Bauform haben wir uns für die hinter dem Ohr getragenen Geräte mit externem Lautsprecher in mittlerem Verstärkungsbereich und Akkutechnologie entschieden.
Keine Schwerhörigkeit ist wie die andere. Die frequenzabhängigen Hörkurven sind genauso unterschiedlich wie das erreichbare Ziel mit Hörgeräten, ebenso die Anatomie des Ohres, der notwendige Grad der Unterstützung, das persönliche Hörumfeld und das eigene Hörempfinden.
Aus diesen Gründen werden wir von der generellen Vermittlung subjektiver Höreindrücke absehen, da sich diese bei Ihnen ganz anders darstellen können. Persönliche Meinung oder Einschätzung werden deutlich gekennzeichnet. Ansonsten halten wir uns an die technischen Möglichkeiten der Hörgeräte. Dabei ziehen wir die Punkte heraus, die sich bei unserer Arbeit im Fachgeschäft als relevant für unsere Kunden herausgestellt haben.
Technik | Phonak Lumity 90 | Oticon Intent 1 | ReSound Nexia 9 | Signia Pure 7 IX | Starkey Genesis AI 24 |
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TestberichtNote | 1,1 | 1,1 | 1,5 | 1,3 | 1,0 |
umfang-reiche Situationserkennung | ja | ja | ja | ja | ja |
Bewegungssensoren zur Signalver-arbeitung | ja | ja | nein | ja | ja |
handsfree Telefonie | ja | ja | ja | ja – aktuell mit iOS oder bei Android mit Zubehör | ja – aktuell mit iOS oder bei Android mit Zubehör |
Frequenz-Bandbreite | -10.000 Hz | -10.000 Hz | -10.000 Hz | -12.000 Hz | -10.000 Hz |
360° Hören | ja | ja | ja | ja | ja |
Sprachan-hebung | ja | ja | ja | ja | ja |
Echoredu-zierung | ja | nein | nein | ja | ja – über Edge Modus+ |
Bluetooth | ja, BT 4.2 | ja, BT 5.2 | ja, BT 5.2 | ja, BT LE, für BT 5.2 vor-bereitet | ja, BT LE |
künstliche Intelligenz | ja, in der Signalver-arbeitung | ja, in der Signalver-arbeitung | nein | ja, in der App | ja, in der Signalver-arbeitung |
Extras bei den Hörern | ja | nein | ja | nein | nein |
Durch den integrierten Bewegungssensor wird nicht mehr nur das akustische Umfeld zur Situationsanalyse herangezogen. Ihre Kopf- und Körperbewegungen bekommen ebenfalls eine wichtige Bedeutung und sind maßgeblich an der Mikrofonausrichtung und am Umfang der Signalübertragung beteiligt.
Die Bewegungssensoren lassen sich in der Regel manuell in der Software deaktivieren.
Gerade für Vieltelefonierer ist die Handsfree-Option echter Komfort. Mit dem passenden Smartphone können Sie vom 2-Wege-Streaming profitieren. Der 1. Weg bringt Ihnen die Stimme des Gesprächspartners direkt in Ihre Hörgeräte, auf dem 2. Weg greifen die Mikrofone der Hörgeräte Ihre Stimme auf und leiten diese über das Smartphone an Ihren Gesprächspartner weiter. So haben Sie die Hände frei. Einziger Nachteil: Auch die Geräusche und Stimmen aus Ihrer Umgebung werden an den Gesprächspartner weitergeleitet. Je nach Umgebungssituation ist das Gespräch für den anderen nur mit erhöhter Konzentration oder gar nicht mehr verständlich. Hier sollten Sie am Anfang nachfragen und gegebenenfalls doch das Smartphone-Mikrofon zur Stimmaufnahme nutzen.
Wir haben uns hierbei an den Einstellmöglichkeiten der Hörgeräte innerhalb der Software orientiert und nicht nach den offiziellen Datenblättern, da hier teilweise Differenzen zu erkennen sind.
Bei diesem Thema scheiden sich die Geister. Die einen sagen, eine Übertragung der Frequenzen über 8.000 Hz ist nicht notwendig und macht keinen Unterschied, die anderen, zu denen auch wir gehören, machen hierbei andere Erfahrungen. Gerade die Übertragung der ganz hohen Frequenzen beeinflusst meiner Erfahrung nach die Klangbrillanz und kann das Sprachverstehen spürbar verbessern.
Ein Kind mit intaktem Hörvermögen nimmt Frequenzen bis ~20.000 Hz wahr. Durch die dauernde Beanspruchung unseres Hörorgans nimmt die Wahrnehmungsfähigkeit hoher Töne mit fortschreitendem Alter ab. Die nachfolgende Tabelle zeigt die altersbedingten Veränderung der Hörempfindlichkeit hoher Frequenzen. Hier gibt es zwar leichte Abweichungen je nach Datenquelle, für eine grobe Richtlinie reicht uns das jedoch:
Alter | durchschnittlich hörbare Frequenz-Obergrenze |
---|---|
20-29 Jahre | ~16.000 Hz |
30-39 Jahre | ~14.000 Hz |
40-49 Jahre | ~12.000 Hz |
50-59 Jahre | ~11.000 Hz |
60-69 Jahre | ~10.000 Hz |
ab 70 Jahre | ~8.000 Hz |
Wenn wir nun noch berücksichtigen, dass tieftönige Frequenzen lautstärkeabhängig einen gewissen Maskierungseffekt auf hohe Frequenzen haben und damit das Sprachverstehen erschweren, ist es umso wichtiger, den hohen Frequenzen ihre Bedeutung zurückzugeben.
Unumstritten ist, dass eine Übertragung der sehr hohen Frequenzen, je nach Art der Schwerhörigkeit, gerade am Anfang scharf und hart vom hörentwöhnten Gehirn wahrgenommen wird. Hier bietet sich evtl. eine schrittweise Anhebung der Verstärkung an.
Wir unterscheiden zwischen der messtechnischen Frequenzbandbreite lt. Datenblatt und den tatsächlichen Werten, die in der Software einstellbar sind. Hier ergeben sich Unterschiede. Zu beachten ist bei diesen Werten jedoch, dass die Anpasskanäle im Tieftonbereich in der Regel bewusst sehr grob gehalten sind, so dass sich die Feinanpassung eher auf die mittleren und höheren Frequenzen konzentriert.
Um das gesamte Geschehen in einer Umgebung wahrnehmen zu können, ist das 360°-Hören unumgänglich. Hierfür benötigt es bei Geräten, die hinter dem Ohr getragen werden, eine gut arbeitende Mehrmikrofontechnologie. Diese muss nicht nur alle Signale erfassen, sondern auch so weiterleiten, dass es dem natürlich Hören am nächsten kommt. Hierbei muss der Kopfschatten und auch der Ohrmuscheleffekt mit eingerechnet werden, um eine Orientierung möglich zu machen.
Die Sprachanhebung zielt darauf ab, die Verständlichkeit von Sprache zu verbessern. Diese Funktion erkennt Sprache und verstärkt diese gezielt. Dadurch werden die Sprachsignale im Vergleich zu anderen Geräuschquellen wie Hintergrundgeräuschen oder Umgebungslärm hervorgehoben, was zu einer verbesserten Sprachverständlichkeit führt. Die Sprachanhebung ist besonders nützlich in Situationen mit vielen Geräuschen, in denen es wichtig ist, Sprache klar und deutlich zu hören, beispielsweise in lauten Umgebungen oder bei Gesprächen in Gruppen.
Wie bereits im Abschnitt der Frequenz-Bandbreite erklärt, können tiefe Frequenzen das Sprachverstehen erschweren. Nachhall, wie er in großen Sälen, Kirchen oder Bürogebäuden stattfindet, ist tieftönig, noch dazu etwas zeitversetzt. Hierdurch entsteht nicht nur ein unangenehmes Hörgefühl, sondern eben auch eine Störung in der Sprachverständlichkeit. Die Hörgeräte erkennen diesen Effekt und reduzieren das Echo für mehr Hörqualität. Da aber auch die Raumwahrnehmung wichtig ist, wird das Echo nicht komplett herausgelöscht.
Zum Thema Bluetooth haben wir bereits einen detaillierten Artikel, auf den wir her verweisen möchten: Hörgeräte mit Bluetooth.
Künstliche Intelligenz in Hörgeräten kommt aktuell noch hauptsächlich in der Entwicklung der Signalverarbeitung zum Tragen. Hier werden umfangreichen neuro-wissenschaftliche Erkenntnisse dazu genutzt, um die Technik zu trainieren. Dieses Training sorgt dafür, dass die Umwandlung der Signale dem natürlichen Verarbeitungsprozess im Gehirn am nächsten kommt.
Eine Technik, die aktiv während des Tragens weiterlernt und sich damit nach und nach genau auf Sie und Ihr Hörgefühl einstellt, gibt es noch nicht. Dies würde bedeuten, dass Sie Ihr Gerät selbst trainieren und ihm ständig Rückmeldungen geben müssten.
Die menschliche Hörwahrnehmung ist Schwankungen unterlegen. So hat man mal einen guten, mal einen weniger guten Tag, ist genervt, gestresst oder super entspannt und gut gelaunt. Mal bekommt man von lauter Musik und vielen Menschen um sich herum nicht genug, an anderen Tagen möchte man sich am liebsten gar nichts hören. Ab gesehen von den psychischen können auch physische Veränderungen sich auf unsere Wahrnehmungen auswirken. Schwankungen des Kreislaufes oder des Blutzuckerspiegels zum Beispiel. Oder aber auch nur die Veränderung Ihrer Hörkurve.
Sie merken schon – eine aktive, künstliche Intelligenz käme da wahrscheinlich ganz schön durcheinander und am Ende wären wir von einer „perfekten“ Anpassung sehr weit entfernt. Außer, wir integrieren zusätzlich noch einen Sensor für diese Schwankungen – aber davon sind wir aktuell noch etwas entfernt.
ReSound und Phonak bieten für Ihre Hörgeräte spezielle Lautsprecher an, die nochmal ein Extra-Feature darstellen.
ReSound bietet zusätzlich zu den Standard-Varianten auch den M&RIE-Hörer an. Dieser hat ein zusätzliches Mikrofon integriert. Durch dieses im Gehörgang platzierte Mikrofon wird die räumliche Wahrnehmung und das Sprachverstehen verbessert.
Phonak hat zusätzlich den MAV-Hörer und Sensor-Hörer im Portfolio. Der MAV-Hörer hat ein aktives Vent integriert, das sich aktiv verschließen und somit störende Außengeräusche ausschließen kann. Der Sensor-Hörer hingegen kann Gesundheitsdaten erfassen und z.B. Ihren Blutdruck im Gehörgang messen.
Rein von unserer technischen Bewertung aus den Testberichten ist es das Starkey Genesis AI 24. Hier fließen in die Benotung auch technische Sonderfeatures mit hinein, die andere Geräte so nicht zu bieten haben wie z.B. den Edge-Modus+.
Wenn wir uns nun aber den Direktvergleich ansehen, können wir feststellen, dass andere Geräte z.B. schon einen moderneren Bluetooth-Standard integriert haben und somit auch handsfree-Telefonie mit Android-Smartphones ermöglichen. Auch haben wir bei anderen Herstellern Zugriff auf unterschiedliche Hörer-Varianten, die im Einzelfall einen deutlichen Vorteil für Sie bieten können.
Des Weiteren ist Ihr persönliches Hörgefühl entscheidend dafür, welches Hörgerät das Beste ist. So kann sich das eine Gerät für Sie etwas unruhig in der Situationsautomatik anhören, beim anderen bemerken Sie gar nicht, dass es arbeitet. Was Sie hier bevorzugen, lässt sich nicht mit Noten oder Beurteilungen anderer herausfinden.
Zum einen können Sie sich anhand der objektiven Suchkriterien bereits die Geräte aus unserer umfangreichen und aktuellen Datenbank herausfiltern lassen, die Ihren Ansprüchen gerecht werden. So erhalten Sie einen ersten Überblick und können sich bereits im Vorfeld orientieren und informieren.
Zum anderen ist es die Aufgabe Ihres Akustikers, Ihnen unter Berücksichtigung
eine Empfehlung hinsichtlich der Bauform und Technik auszusprechen.
Wenn Sie von den Empfehlungen sowie deren Begründungen aufgrund Ihrer eigenen Recherche nicht überzeugt sind, können Sie sich jederzeit eine Zweitmeinung einholen. Schließlich geht es um Ihre Lebensqualität, die Sie mit dem Tragen eines Hörgerätes wiedererlangen wollen.
Übrigens – kein Hörakustiker bietet Ihnen schlechte Hörgeräte an. Egal, welcher Name auf dem Gerät steht – Sie erhalten überall Techniken namenhafter Hersteller. Wir erklären Ihnen, was es mit den sogenannten firmeneigenen Markennamen auf sich hat. Lesen Sie dazu unseren Artikel: Eigenmarken bei Hörgeräten.
Unterschiede ergeben sich höchstens im Portfolio der Hörakustiker. So ist es möglich, dass manche Akustiker sich auf wenige oder gar nur einen Hersteller beschränken, andere mit allen auf dem Markt verfügbaren Geräten arbeiten.
Wenn Sie sich aufgrund der Vorgespräche nun für einen Hörakustiker entschieden haben, geht es in die Testphase. Hier sollten Sie sich die Zeit nehmen und die Zeit bekommen, die priorisierten Hörgeräte miteinander zu vergleichen. Entgegen mancher Gerüchte benötigen Sie keine Testphase der einzelnen Geräte von einigen Wochen. Sie werden schon nach wenigen Tagen merken, ob Sie sich mit einem Gerät wohl fühlen oder nicht.
Testen Sie die Geräte unbedingt in den für Sie wichtigen Bereichen. Gehen Sie gerne in Konzerte oder ins Theater? Oder sind Sie häufig mit der Wandergruppe unterwegs? Kehren Sie gerne in Lokale ein? Gehen Sie regelmäßig in die Kirche? Planen Sie in der Testphase der Hörgeräte Veranstaltungen ein, die Ihnen wichtig sind.
Die Auswahl des für Sie besten Hörgerätes lässt sich leider nicht ausschließlich anhand technischer Daten treffen. Das würde es tatsächlich sehr einfach machen. Vielmehr ist es ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren, für deren Bewertung es das Know-How und die Erfahrung eines Hörakustikers braucht. Suchen Sie sich daher ein Fachgeschäft, in dem Sie sich gut aufgehoben fühlen und in dem Sie Vertrauen zu Ihrem betreuenden Akustiker haben. Da es bei einer Hörgeräte-Versorgung um eine langfristige Zusammenarbeit handelt, sollten Sie offen über Ihre Wünsche und Bedürfnisse sprechen können. Lassen Sie sich auf den spannenden Erkundungsweg zur Wiedererlangung Ihrer Lebensqualität ein. So gelangen Sie am Ende an das für Sie beste Hörgerät.
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